Samstag, 23. November 2019

Das mit Weihnachten

Bereits seit Ende August zieren Nikoläuse, Lebkuchen und ähnliche auf Weihnachten einstimmende Naschereien die Regale sämtlicher Supermärkte, die etwas auf sich halten. Damit es auch jeder mitbekommt: Hey Leute, es ist bald wieder soweit! Das Fest der Liebe naht. Jo eh, denkt man sich, ma wuascht.

Je näher es kommt, jedoch, desto weniger IST es wurscht. Weil alle davon reden, jeder einen fragt was man an DEM TAG denn so vorhabe ... als ob es irgendwie TOTAL wichtig wäre, als ob es einen als Person definieren würde, was man an diesem ach so besonderen Datum treibt.

Probiert es einmal aus. Beantwortet die Frage aller Fragen mit: Och, nix weiter, warum? Es wird sich betretenes Schweigen auf die eben noch so lebhafte Konversation herabsenken wie der Vorhang über das verhunzte Ende eines Theaterstücks. Sie macht an Weihnachten einfach NICHTS??? Leute, rasch, Vorhang, Vorhang, du meine Güte, hoffentlich merkt niemand etwas ...

Wer an Weihnachten alleine ist wird sich, auch wenn er dem Tag an sich keine besondere Bedeutung beimißt - z. B. weil er eh nicht katholisch ist, oder weil er eh weiß, daß Jesus historisch gesehen überhaupt nicht am 24. Dezember geboren sein KANN - dennoch doppelt einsam fühlen, da einem die Gesellschaft das Gefühl vermittelt, etwas verabsäumt zu haben. Wer an diesem Tag alleine ist, hat etwas falsch gemacht. Man hätte sich eben beizeiten kümmern müssen, so wie alle anderen auch.

Ich weiß noch gut, wie ich vor vielen Jahren einmal über Weihnachten nach Wien gefahren bin, weil ich wissen wollte wie es sich anfühlt, wenn man den Heiligen Abend alleine in einem Hotel verbringt. Hatte romantische Vorstellungen eines von melancholischer Stimmung getragenen Abends, welchen ich in vollen Zügen zu genießen dachte.

Am Ende wurde es ein eher durchschnittlicher Abend, den ich mit einer Flasche Champagner vor dem Fernseher verbrachte. Einsam hab ich mich nicht gefühlt, ich bin ja gerne alleine und es wäre auch noch Familie dagewesen, mit der ich den Heiligen Abend hätte verbringen können. Wenn ich gewollt hätte. Wenn ich das alles nicht so unglaublich spießig und lästig gefunden hätte.

Inzwischen hat sich in meinem Leben einiges geändert, die Familie hat sich einer nach dem anderen auf mehr oder weniger leisen Sohlen davongemacht, hinüber in eine andere Welt. Dort feiert man mit dem Geburtstagskind persönlich - während wir hier zurückgebliebenen Menschen uns an diesem Festtag zunehmend unwohl fühlen. 

Es wär halt wegen der Kinder, hört man oft entschuldigend. Denen man den Glauben ans Christkind nicht nehmen möchte. Also holt man sich einen rüde aus dem Leben gerissenen Baum, wie jedes Jahr, behängt ihn mit diversem Tand, Kitsch und Glitzer, wie jedes Jahr, überlegt sich mit sorgenvoll gerunzelter Stirn was es zum Essen geben soll, wie jedes Jahr, und graust sich bereits im November vor dem Streit, den es mit Tante Trudi geben wird, wie jedes Jahr.

Und weil geteiltes Leid halbes Leid ist, fragt man unablässig andere Menschen, was SIE denn so an Weihnachten machen ...