Montag, 22. Juli 2024

Die Tyrannei der Muttertiere

Es ist Sonntag. Kurz vor 12 Uhr. Bisher war draußen alles ruhig gewesen, die Vögel sangen, ab und an Stimmen in der Ferne, mal ein Autogeräusch von der Straße rüber, sonst nichts. Und ich habe es genossen. Sonntag ist ein guter Tag. Niemand mäht Rasen, niemand bohrt, die Leute nehmen Rücksicht aufeinander, ich darf mich entspannen.

Auf einmal dringt ein grauenhaftes Geräusch von unten in meine Wohnung im dritten Stock eines ansonsten ruhig gelegenen Mietshauses. Zunächst kann ich das Geräusch nicht zuordnen, denke an einen tollwütigen Hund, an Massenmord, an einen heimtückischen Raubüberfall. Das Geräusch persistiert und mir wird klar, daß es sich um ein Kind handeln muß, welches offenbar völlig grundlos Töne absondert, die an einem Sonntagmittag in einer Wohngegend absolut nichts verloren haben.

Ich begebe mich zu meinem Balkon mit der Absicht, zu schauen ob ich etwas erkennen kann. Noch bevor ich die Fliegentür geöffnet habe überkommt mich angesichts der hemmungslosen Krakeelerei die Wut und ich schreie los: Was ist das denn für ein krankes Arschloch da unten!

Nicht grad die feine Englische, geb ich zu, aber ich bin Asperger-Autistin und nach all den Jahren der permanenten Beschallung von allen Seiten und der (mit) daraus resultierenden Schlafproblematik sind meine Nerven total am Sand.

Von unten kommt ein mauliges: Hey des is'n Kind, was willste? Geh in deine Wohnung!

Ich protestiere: Ich bin in meiner Wohnung!

Von unten wieder: Dann mach deine Fenster zu!

So stellen sich die Damen das also vor. Sie bekommen Kinder, mit denen sie entweder nicht umgehen können oder wollen, denen sie alles erlauben und es ablehnen, ihnen Grenzen zu setzen und ihnen sowas wie Anstand und ein Gefühl für Rücksichtsnahme beizubringen, und wen es stört, also beispielsweise so alte Meckertanten wie mich, die sollen sich gefälligst in ihren Wohnungen verbarrikadieren und da drin ersticken.

Geht's eigentlich noch? Warum sollen meine Bedürfnisse weniger wichtig sein als die eines Kindes? Noch dazu wo meine Bedürfnisse durch ein allgemein anerkanntes Reglement gestützt werden: Sonntagsruhe, Mittagsruhe.

Nur weil irgendein Richter in den 90-er Jahren in einem Anfall von Weltfremdheit beschied, daß Kinderlärm nicht als Lärm anzusehen sei, ändert das nichts an der Tatsache, daß auch Kinderlärm Lärm IST. Und krank macht. Nachgewiesenermaßen. Die Fachwelt weiß dies und wir Betroffenen erst recht.

Wird dem in irgendeiner Art und Weise Rechnung getragen?
Nein. 

Nach wie vor werden wir aus allen Richtungen beschallt. Ob von Autos, von Flugzeugen, von Rasenmähern, Laubbläsern, Baustellenmaschinen und - Kindern. Inzwischen wird fast jeden Abend auf dem Spielplatz drüben, der die ersten Jahre meines Hierseins meist verlassen lag, bis spät abends laut gekreischt. Dagegen kann ich leider nichts machen. Kinder dürfen auf Spielplätzen lärmen, auch bis 21 Uhr wenn sie das möchten. Wie es den Menschen in den umliegenden Wohnungen damit geht, ist egal. 

Ich wünsche mir sehr, daß hier an der Gesetzgebung grundlegend etwas geändert wird. Kinder haben Bedürfnisse, soweit klar. Aber Erwachsene sind auch Menschen. Und haben Bedürfnisse. Lärm macht nun einmal krank, egal wer ihn erzeugt. 

Wenn man es wagt, beispielsweise im Bus, einmal eine Mutter anzusprechen, ob sie ihren Nachwuchs zu etwas mehr Ruhe ermahnen könnte, so bekommt man als Antwort ein patziges: Des sind doch KINDER!

Ja das sehe ich, danke für die Belehrung. Und was soll mir diese Antwort sagen? Hilft mir das weiter? Nein, tut es nicht.

Unlängst hatte ich die Begleitperson einer Handvoll lärmender Kinder, ob es die Mutter war weiß ich nicht, angesprochen und ihr erklärt, daß ich krank sei und daher den Lärm einfach nicht aushielte. Daraufhin erwiderte sie, Kinder dürften soviel schreien wie sie wollten und wo sie wollten, und forderte ihre Entourage auf: So nun schreit einmal alle so laut ihr könnt.

Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mit zugehaltenen Ohren in den nächstgelegenen Laden zu flüchten wo ich in Tränen ausbrach.

Ohne meine Bose-Kopfhörer kann ich nicht mehr aus dem Haus gehen und ich bin sehr froh, daß es mittlerweile so etwas gibt. Aber wenigstens in meiner Wohnung, an einem Sonntag, während der Mittagsruhe, möchte ich die Möglichkeit haben, Ruhe einfordern zu dürfen.

Nach unserer kleinen 'Unterhaltung' vom Balkon herab war diese Ruhe übrigens eingetreten. Geht doch. Warum nicht gleich so?




Sonntag, 20. Februar 2022

Wir lassen lesen

Seit einiger Zeit wird  mir auf meinem Handy immer wieder Werbung für eine gewisse App angezeigt, ich weiß nicht ob man den Namen hier nennen darf, aber sie fängt mit B an und ich muß jedes Mal dabei zwinkern.

Es wird damit geworben, daß diese App die Kernaussagen von Sachbüchern in knackigen Kurztexten und Audiobeiträgen zusammenfaßt und man sich dadurch in wenigen Minuten Expertenwissen aus einem dicken Fachbuch aneignen könne.
Klingt gut, oder? Ich halte sowas für brandgefährlich.

Nicht erst seit gestern werden in den Medien fleißig 'alternative Fakten' geschaffen, und ich finde es keineswegs großartig, wie man den Menschen mit dieser Zwinker-App weismacht, man würde ihnen lediglich Zeit sparen, beispielsweise beim Studium. Ganz abgesehen von der Gefahr der verfälschten Wiedergabe eines Originaltextes - was ja noch nicht einmal Absicht sein muß, man denke an das berühmte Partyspiel 'Teekesselchen' (für die jüngeren unter uns: Party, das war früher ein Zusammentreffen von Freunden zum Zwecke der Unterhaltung und gemeinsamem Spielen und nebenbei Alkoholtasting) - also ganz abgesehen von dieser möglichen Verfälschung geht es ja auch darum, also mir jedenfalls, daß man den Leuten das Denken völlig abnimmt wenn man ihnen die Quintessenz eines Textes einfach so hinhaut, ohne daß sie sich die Mühe machen mußten, ihn selber zu lesen.

Jeder Leser eines Textes entwickelt ja während des Lesens durch die dabei hochsteigenden Bilder eigene Gedanken. Und die sind wichtig. Für die Gesellschaft, für ihn selber, für alle eben. Sonst könnte man es ja gleich bleiben lassen.

Bereits damals, als das mit Wikipedia anfing hab ich mir gedacht: Was soll das werden? Wenn praktisch jeder der mag, hier etwas hineinschreiben kann, wer überprüft denn am Ende, ob das auch wirklich so ist?

Weiters könnte jeder, der daran ein Interesse hat, in die Biographie eines Menschen, den er aus welchem Grund auch immer diskreditieren will, etwas hineinschreiben, das diesen in den Augen anderer unmöglich macht. Und niemand merkt's.

Inwieweit ist es gar möglich, die Denkweise der Menschen mit solchen Tools absichtlich zu beeinflussen, indem daß man 'unwichtige Kleinigkeiten' einfach wegläßt und somit den Aussagen berühmter Denker eine völlig andere Bedeutung gibt? 
Wer hat sich nicht schon einmal im Lateinunterricht grandios blamiert, wenn er, statt die berühmten 'Schwarten' lediglich als Übersetzungshilfe zu benutzen, sich einzig auf deren Übersetzung verlassen hat, sich den Originaltext also nicht selber angesehen hat und dann bei der Repetition einfach aus der Schwarte vorgelesen hat? Bestes Beispiel dafür, daß so etwas niemals funktionieren kann.

Oder der berühmte Google Translator. Was gibt der nicht für völligen Blödsinn von sich. Eine Maschine kann niemals, wirklich niemals einen Text so übersetzen, daß das, was vorher dastand, auch hinterher noch dasteht. Da tut man sich als Mensch ja oft schon sehr schwer. Man muß nur einmal ein Buch lesen, das jemand aus einer Originalsprache, die man selbst beherrscht, herüberübersetzt hat. Es werden einem in den meisten Fällen jede Menge Schnitzer auffallen, eben weil man genau weiß, was da vorher wirklich gestanden hat und was da stehen SOLLTE anstelle dessen, was man da blinzelnden Auges lesen muß.

Offenbar verstehen viele Leute nicht mehr, was sie da lesen, wie sollen sie denn dann eine für alle anderen brauchbare Zusammenfassung erstellen? Kann es die Lösung sein, dies von einem Computer machen zu lassen? Ich glaube sicher nicht.
Und ich red jetzt nicht einmal von düsteren Gedichten des Mittelalters mit vielen komischen Zeichen und noch komischeren Worten, sondern nehmen wir einmal als Beispiel einen völlig normalen Roman der zu Beginn der 70-er Jahre in einer deutschen Kleinstadt spielt.


Als ich vor einigen Jahren 'Maiglöckchen oder ähnlich' von Willi Heinrich las, hab ich mir gedacht, es ist ja kein Wunder wenn die jungen Leute keinen Bock mehr auf Literatur haben, wenn sie beispielsweise überhaupt nicht mehr nachvollziehen können, was eigentlich das Problem ist, das diese Simone damit hat, daß ihre Freundin bei ihr wohnt.

Die jungen Menschen heutzutage wissen ja kaum mehr, daß es damals den berühmt-berüchtigten Paragraphen 175 gab, der Homosexualität nicht nur als unmoralisch verdammte sondern auch unter Strafe stellte.

An zwei Frauen hat sich allerdings selten einmal jemand gestört, hauptsächlich die Männer wurden verfolgt. Böse Zungen behaupten das läge daran, daß die Gesetze nun einmal von Männern gemacht werden - zumindest damals war es so, daß Frauen absolut nichts zu sagen hatten. Und das, obwohl sie gerade eigenhändig die Trümmer beseitigt hatten die das intellektuell ach so überlegene Mannsvolk beim Spielen einfach so liegengelassen hatte, und obwohl sie während der Kriegsjahre auch ohne einen Mann an ihrer Seite ihre Frau stehen und die Kinder versorgt kriegen mußten. 

Trotz dieser überragenden Leistungen ließen sie sich nach Kriegsende wieder brav an den Herd zurückdrängen, ordneten sich unter, und ließen sich im weiteren Verlauf von Zeitschriften weismachen wie minderwertig sie doch wären, solange sie nicht Creme X und Lotion Y benutzten, von Modezwängen denen sie sich zu unterwerfen hatten wollten sie nicht zum allseitigen Gespött werden, ganz zu schweigen.


Aber ich schweife ab. Was ich sagen wollte: Daß homosexuelle Handlungen zwischen Frauen meist nicht verfolgt wurden liegt, wie oben erwähnte böse Zungen behaupten, eben daran, daß Männer, die die Gesetze schließlich gemacht haben und auch deren Befolgung kontrollieren, doch recht gerne zwei Frauen bei eindeutigen Handlungen sehen oder zumindest keine Probleme haben, diese sich zumindest dabei vorzustellen - dagegen wenn Männer sich vergegenwärtigen müssen wie zwei andere Männer miteinander zärtlich zugange sind, dann wird die eigene tief verschüttete und unter Verschluß gehaltene bisexuelle Neigung angesprochen und uiuiui!!!, da kann einer ganz schnell sehr, sehr böse werden, wenn er jemanden etwas tun sieht, was er selber nicht darf aber ebenfalls gerne tun würde. Daß die meisten Männer sich dieser Neigung nicht einmal bewußt sind und jegliche Andeutung einer Tendenz in diese Richtung mit einem gewaltigen Kinnhaken beantworten würden, macht die Sache nicht besser.

Selbst wenn also eine Beziehung zwischen zwei Frauen selten zu Strafverfolgung führte, war sie doch immer ein prima Vorwand, eine Frau zu diskreditieren und aus Job und Wohnung zu jagen falls sie es wagen sollte, irgendwie unangenehm aufzufallen oder gar unbequem zu werden. Immer schön klein und brav bleiben, dann kann nix passieren.

Das ist also das eine, was in diesem Roman im Vordergrund steht: die komplizierte Beziehung von Journalistin Simone und ihrer Freundin Lis, Bildredakteurin, welche mit ihrer Eifersucht immer wieder Probleme schafft, die echt nicht hätten sein müssen, aber so ist das in Beziehungen nun einmal, mehr Streß als sonstwas.

Das andere Thema ist dieser Schulberg, ein Mann der wegen seiner Aktionen auf der Straße immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät bis er wirklich mal im Häfn landet, und Simone soll ihn nach seiner Entlassung interviewen und einen schönen Artikel über ihn schreiben.

Bei diesen Aktionen ging ihm, nachdem seine Frau, die noch dazu grad schwanger war, nach einem Autounfall gestorben war, darum, daß die Leute alle dafür sein sollen, keine Autosteuer mehr zu zahlen. Die Regierenden waren nicht mit dem einverstanden was er da immer daherredete und deswegen wollten sie, daß er die Klappe hält und nicht immer mitten auf der Kreuzung das Diskutieren anfängt und einen Riesenstau verursacht. Aber sag mal einem Mann er soll was bleiben lassen, dann macht er es erst recht.

Nachdem ich als Nicht-Autofahrer nicht so ganz verstanden habe, was Schulberg von sich gibt, habe ich auf der Suche nach Erleuchtung den Roman gegoogelt und mich gleich wieder fürchterlich aufregen müssen. 

Bin auf einer Fanhomepage des Autors gelandet, und das ist ja zunächst einmal eine löbliche Sache, so eine Fanhomepage. Auch ich lese die Romane von Herrn Heinrich immer wieder sehr gerne, daher finde ich es prima, daß sich jemand die Arbeit macht, den Autor vor der Vergessenheit zu bewahren.


Aber die Zusammenfassung des Romans 'Maiglöckchen oder ähnlich', dessentwegen ich ja dort gelandet war, ließ mir die Haare zu Berge stehen.

Vorne auf der Seite steht, man darf ohne Erlaubnis nichts davon veröffentlichen, also hab ich als Nicht-Jurist jetzt keine Ahnung, inwieweit ich überhaupt zitieren darf ohne mir den kostenpflichtigen Zorn der beiden Betreiber aufs unfrisierte Haupt zu laden, aber wer was ins Netz stellt der muß es sich gefallen lassen, wenn es kommentiert wird, also kommentiere ich hiermit:

Ich lese hier 'Seinetwegen gefährdet sie ihre Freundschaft mit Lis, die ihr alles bedeutet und durch sie das erfahren durfte, was ihr zuvor kein Mensch geben konnte.' 
Was so schon einmal einfach nicht stimmt. Abgesehen davon, daß es heißen müßte: ... durch DIE sie ... erfahren durfte ...'.

Diese Freundschaft war, wie eingangs bereits ausgeführt, von vorneherein gefährdet und WENN jemand dem Ärger Tür und Tor geöffnet hat dann war es Lis, die heimlich nachts Nacktfotos von sich und Simone gemacht hat und diese nicht nur ständig in der Handtasche umhertrug so daß ihr Ex sie beim unautorisierten Umeinandergruschteln finden konnte und somit zum bitteren Mitwisser des verbotenen Tuns, zur wandelnden Zeitbombe wurde, nein, die dumme Gans hat auch noch einen Abzug an Schulberg geschickt, welcher sich mittlerweile allerdings von der Brücke herab vor einen Zug geworfen hatte, so daß die Kieberer den noch ungeöffneten Brief im Gasthaus, in dem er logiert hatte, abfangen, öffnen und genüßlich konfiszieren konnten.
So war das. Also wer gefährdet jetzt wen oder was?

Natürlich verstehe ich, daß Lis nicht begeistert davon war, daß ihre angebetete Simone diesem komischen Kerl ständig helfen will und ihn sogar in die Wohnung läßt, ihm Geld gibt und ihm später, als sie ihn unbeabsichtigt wieder treffen, gleich wieder ihre Hilfe aufnötigt obwohl diesem das eher peinlich ist und er nur deswegen im Städtchen bleibt, weil sie ihn gnadenlos zugetextet hat und ihm die Hilfe ihres Chefs und somit Unterstützung bei seiner hirnrissigen Aktion verspricht, was ihn letztendlich dazu bewegt, wieder einmal ihren Wohnungsschlüssel anzunehmen. 

Klar kriegt frau da erst einmal irgendwie einen Grant. Aber kann man da nicht ein klärendes Gespräch suchen anstatt durch solch kindische Trotzreaktionen alles erst recht kaputtzumachen???

Nun zu dem Satz in der Rezension, der mich am meisten aufregt:
Aber die Frau Simone muss vor dem Mann Schulberg versagen. Sie kann sich nicht zu etwas zwingen, was ihr nichts bedeutet. 
Ja du heiliges Quadrat. Simone muß versagen, hm??? SIMONE HAT NICHT VERSAGT!!! Ich bemühe mich hier redlich, die Autoren dieses Schwachfugs nicht zu beschimpfen, aber es kostet mich SEHR viel Mühe. WIE KOMMT IHR DA DRAUF???

Da fuhrwerkt der Typ mehr als ungeschickt an ihr rum, kriegt nicht mal ordentlich einen hoch, und sie, die ihm von Anfang an gesagt hat, daß sie frigide ist (was man den Frauen ja damals gerne eingeredet hat wenn sie nicht gleich vor Entzücken vergangen sind sobald der Herr und Gebieter die Hosen runtergelassen hat) und daß er den Scheiß genausogut gleich lassen kann, tut halt mit weil was will frau machen und ihr liegt nun einmal etwas an ihm und schließlich will sie es dann auch noch einmal wissen ob es bei ihr immer so ist wenn sie mit einem Mann was hat - was unglaublich tapfer von ihr ist, großherzig und überhaupt mehr Mut erfordert als die meisten Leute überhaupt aufbringen können -  und dann hätte sie nach Meinung dieser zwei Komiker versagt??????????


Ja Leute, da vergeht einem das Lachen.

Ich frag mich ja, ob die das Buch überhaupt gelesen haben, weiter oben heißt es doch glatt:
Wird sie Schulberg, dem Mann, der alles von ihr verlangt, helfen können?


Der Herr Schulberg hat überhaupt nix verlangt. Und auch nix begriffen. Der steht da, hat nichts und niemanden (was irgendwo auch wieder unglaubwürdig ist, wenn ich das an dieser Stelle mal so einwerfen darf, denn wer im Knast war hat dort im allgemeinen gearbeitet und zwei Drittel des winzigen aber doch vorhandenen Lohns kommen auf Rücklage, eben DAMIT man ein bissl was in der Hand hat wenn man rauskommt) und sie drängt ihm ihre Hilfe wiederholt auf, auch nachdem er als erste Amtshandlung gleich wieder einen Volksauflauf verursacht und sie ihn grad noch wegziehen kann weil schon wieder ein Kieberer anmarschiert kommt.

Da hätt sie schon sehen können, daß sie mit dem nix als Ärger hat, aber nein, sie hilft ihm weiter wie oben bereits beschrieben, trifft sich nochmal und wieder mit ihm, und gibt ihm sogar das Geld, das sie sich für einen Fernseher angespart hatte. Dreihundert Mark war damals eine Menge Geld.

Sie gefährdet damit meiner Meinung nach aber nicht ihre Beziehung zu Lis weil das eine mit dem anderen nix zu tun hat, weil Liebe das einzige Gut ist das nicht weniger wird wenn man es teilt, und wenn die Leute das endlich mal begreifen würden, dann hätten wir erheblich weniger Ärger und mindestens die Hälfte aller Scheidungsanwälte könnten gleich einmal zusperren.

Somit hab ich zwar immer noch nicht verstanden, was der olle Schulberg eigentlich auf der Straße immer so getrieben hat, womit er sich den heiligen Zorn der Stadtväter zugezogen hat, aber meine Theorie, daß die meisten Leute heutzutage mit Büchern, die älter sind als zehn Jahre und in denen noch richtige Satzkonstruktionen verwendet werden, nichts mehr anfangen können, wurde deutlich bestätigt.

Was allerdings offensichtlich niemanden davon abhält, dennoch Zusammenfassungen dieser Romane zu posten.

Wenn das jetzt der nächstbeste Faulpelz liest, der den Roman als Hausübung rezensieren soll, und er sich dann wundert warum ihm der Lehrer eine dicke rote FÜNF hinmalt, dann ist das eine Sache. Selber lesen Alter, dann Meinung schreiben. Aber das Problem ist ja, wie eingangs bereits beschrieben, viel tiefgreifender.

Die Bücher selber werden am Ende garnicht mehr gelesen werden, egal ob aus Opas verstaubtem Bücherschrank oder in der hienigen Digitalversion, es werden bald wirklich nur mehr die Zusammenfassungen gelesen. Und so geht's dahin mit der Kultur, so gerät alles immer mehr in Vergessenheit, worauf wir einst so stolz sein konnten. Land der Dichter und Denker, my foot.

Erst haben die Nazis unsere brillantesten Köpfe aus dem Land gejagt weil ihnen deren Nase nicht gepaßt hat, dann haben sie geschaut wem sie noch alles die Bücher verbrennen können, was eine Riesensauerei war und man hat sich auch schön aufgeregt hinterher als man wieder durfte - aber nun schauen wir selber tatenlos zu, wie unsere Literatur Stück für Stück im Reißwolf landet 'weil man hat's ja am Kindle', wie die gute Musik nicht mehr gehört wird weil die Bands, die noch welche spielen, notgedrungen lediglich vor kleinem Publikum in winzigen Lokalitäten auftreten können wenn überhaupt, und wie die Platten, auf denen die guten alten Sachen drauf sind, bestenfalls irgendwo im Keller verstauben, weil die Leute, die noch ein Ohr dafür haben, einer nach dem anderen ins Irrenhaus oder ins Altenheim abgeschoben werden.

Nein Opa, du kannst nicht noch einen Trip haben, du hattest grad schon genug davon, ab ins Auto, ab heute kümmern sich andere um dich, und deine Schallplatten kannst du nicht mitnehmen, das Zimmer ist zu klein. Nix da, kannst froh sein wenn du ein Radio kriegst und jetzt halts Maul du alter Depp!

In diesem Sinne halte ich alter Depp jetzt auch mal die Klappe, und verbleibe bis zum nächsten Mal wenn er sich aufregt,
euer großer, böser Ev.






Samstag, 23. November 2019

Das mit Weihnachten

Bereits seit Ende August zieren Nikoläuse, Lebkuchen und ähnliche auf Weihnachten einstimmende Naschereien die Regale sämtlicher Supermärkte, die etwas auf sich halten. Damit es auch jeder mitbekommt: Hey Leute, es ist bald wieder soweit! Das Fest der Liebe naht. Jo eh, denkt man sich, ma wuascht.

Je näher es kommt, jedoch, desto weniger IST es wurscht. Weil alle davon reden, jeder einen fragt was man an DEM TAG denn so vorhabe ... als ob es irgendwie TOTAL wichtig wäre, als ob es einen als Person definieren würde, was man an diesem ach so besonderen Datum treibt.

Probiert es einmal aus. Beantwortet die Frage aller Fragen mit: Och, nix weiter, warum? Es wird sich betretenes Schweigen auf die eben noch so lebhafte Konversation herabsenken wie der Vorhang über das verhunzte Ende eines Theaterstücks. Sie macht an Weihnachten einfach NICHTS??? Leute, rasch, Vorhang, Vorhang, du meine Güte, hoffentlich merkt niemand etwas ...

Wer an Weihnachten alleine ist wird sich, auch wenn er dem Tag an sich keine besondere Bedeutung beimißt - z. B. weil er eh nicht katholisch ist, oder weil er eh weiß, daß Jesus historisch gesehen überhaupt nicht am 24. Dezember geboren sein KANN - dennoch doppelt einsam fühlen, da einem die Gesellschaft das Gefühl vermittelt, etwas verabsäumt zu haben. Wer an diesem Tag alleine ist, hat etwas falsch gemacht. Man hätte sich eben beizeiten kümmern müssen, so wie alle anderen auch.

Ich weiß noch gut, wie ich vor vielen Jahren einmal über Weihnachten nach Wien gefahren bin, weil ich wissen wollte wie es sich anfühlt, wenn man den Heiligen Abend alleine in einem Hotel verbringt. Hatte romantische Vorstellungen eines von melancholischer Stimmung getragenen Abends, welchen ich in vollen Zügen zu genießen dachte.

Am Ende wurde es ein eher durchschnittlicher Abend, den ich mit einer Flasche Champagner vor dem Fernseher verbrachte. Einsam hab ich mich nicht gefühlt, ich bin ja gerne alleine und es wäre auch noch Familie dagewesen, mit der ich den Heiligen Abend hätte verbringen können. Wenn ich gewollt hätte. Wenn ich das alles nicht so unglaublich spießig und lästig gefunden hätte.

Inzwischen hat sich in meinem Leben einiges geändert, die Familie hat sich einer nach dem anderen auf mehr oder weniger leisen Sohlen davongemacht, hinüber in eine andere Welt. Dort feiert man mit dem Geburtstagskind persönlich - während wir hier zurückgebliebenen Menschen uns an diesem Festtag zunehmend unwohl fühlen. 

Es wär halt wegen der Kinder, hört man oft entschuldigend. Denen man den Glauben ans Christkind nicht nehmen möchte. Also holt man sich einen rüde aus dem Leben gerissenen Baum, wie jedes Jahr, behängt ihn mit diversem Tand, Kitsch und Glitzer, wie jedes Jahr, überlegt sich mit sorgenvoll gerunzelter Stirn was es zum Essen geben soll, wie jedes Jahr, und graust sich bereits im November vor dem Streit, den es mit Tante Trudi geben wird, wie jedes Jahr.

Und weil geteiltes Leid halbes Leid ist, fragt man unablässig andere Menschen, was SIE denn so an Weihnachten machen ...


Dienstag, 22. Oktober 2019

Und ewig schlägt die Sommerzeit ...

Am 26. Oktober ist es wieder soweit. Ja, Nationalfeiertag ist auch, aber mir geht es heute um etwas völlig anderes: Ich bekomme in der Nacht auf Sonntag ENDLICH die Stunde wieder, die mir Ende März gestohlen worden war. Und dieses Mal möchte ich sie behalten, denn es ist MEINE, sie gehört MIR! Ich fordere das sofortige Ende der jährlichen Zeitumstellung!


In Deutschland gibt es ja im allgemeinen zwei Gründe, etwas Unsinniges zu tun: 1. ‘Das haben wir schon immer so gemacht’ 2. ‘Es gibt Studien, die beweisen, daß …’


Die erste Begründung ist hierbei schon einmal nicht anwendbar, denn wir haben es eben NICHT schon immer gemacht sondern erst seit den 80-er Jahren. Wie so manch anderer Unfug auch kam diese Unsitte aus den USA. Dort heißt die Sommerzeit Daylight Saving Time weil man angeblich, nein, nicht Tageslicht, aber Strom spart. Weil es ja länger hell ist. Hah. Klar.


Was den zweiten Grund, den mit den Studien, betrifft, ist inzwischen hinlänglich bewiesen, daß nichts, aber schon GARNICHTS dabei gespart wird, wenn man die Menschen um vier Uhr aus der Hapfn haut mit der Ansage, es sei jetzt aber schon fünf Uhr und somit Zeit, aufzustehen. Erstens, weil sie den am Abend gesparten Strom dann eben in der Früh verbrauchen, zweitens weil es viel mehr Unfälle gibt seit jeder zweimal im Jahr völlig verwirrt und gejetlaggt zu ungewohnter Zeit aus dem Bett stolpert, sich am Bettpfosten gleich einmal den Zeh anhaut, sich am Kaffee die Zunge verbrennt, auf die Jause vergißt und sodann mit dem Auto verspult durch die nächtlichen Straßen eiert  - und die ständige Wechslerei die Leute sowieso und überhaupt vollends krank macht. WENN man sich schon dem Diktat der Zeit unterwerfen und somit permanent nach der Uhr leben muß, was ja an sich schon komplett irrsinnig und obendrein gesundheitsschädlich ist, so sollte doch der Rhythmus dabei wenigstens gleich bleiben und nicht noch zweimal im Jahr kostspielig durcheinandergebracht werden. Hier sind wir auch schon beim dritten Argument gegen die Zeitumstellung: Die immensen Kosten, die jedes Mal generiert werden. Eigentlich normalerweise DAS Totschlagargument schlechthin: Die KOSTEN! Egal worum es geht, egal wie toll und hilfreich es wäre: Wenns was kostet, dann lassen wir es doch besser bleiben.


Nicht so die Sommerzeit. Die kostet so richtig Geld und obendrein unsere Nerven, aber wir können uns einfach nicht davon trennen. Neulich wurde ja diese Umfrage durchgeführt, wahrscheinlich in der leisen Hoffnung, daß die Bevölkerung sich inzwischen schon so an die Sommerzeit gewöhnt hätte, daß sie vergessen hätte, daß man das NICHT ‘schon immer so gemacht’ hatte. Aber weit gefehlt, ein erstaunlich großer Prozentsatz der EU-Bürger war FÜR die Abschaffung. Wird sie aber nun endlich abgeschafft? Nein. Angeblich, weil die einzelnen Staaten sich nicht auf eine einheitliche Vorgehensweise einigen könnten.


Mal was GANZ Neues, sich davon abhalten zu lassen was die einzelnen Staaten wollen oder nicht, denn bekanntermaßen ist die EU sonst keineswegs zimperlich wenn es darum geht, etwas durchzusetzen - völlig unabhängig davon in welchem Ausmaß es von der Bevölkerung gewollt oder auch nur sinnvoll ist. Ob es darum geht, die guten alten Glühbirnen abzuschaffen und die Leute zu zwingen, sich stattdessen vergiftete Sparlampen in die Fassungen zu schrauben, oder ob man mit Vehemenz dem Bürger die wohlverdiente Feierabendzigarette buchstäblich aus dem Gesicht watscht, da kennen die Leute aus Brüssel nix, da sind sie hart wie, äh, Stahl, und vor allem in Bayern wird freudig mitgemacht, dort dürfen die Menschen nicht einmal in der eigenen Wohnung mehr rauchen wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt bzw. müssen sie sich dazu ins ungeheizte Kammerl begeben, weil bei der gemütlichen Inhalation in den warmen Pfühlen sofort der - von der EU vorgeschriebene - Rauchmelder losgehen und es mächtig Ärger geben würde, wenn die herbeigeeilten Feuerwehrmänner lediglich einen verschreckten Mann im Schlafanzug vorfänden der gerade hastig seinen Tschik ausdämpft statt des hübschen Wohnungsbrandes auf den sie sich schon so gefreut hatten. Wenn man nicht alles selber macht ...


Was jedoch diese unsägliche Sommerzeit betrifft, da können die Brüssler sich einfach nicht entschließen, mal so richtig saftig durchzugreifen. Da winden sie sich und erfinden Ausreden, daß die Anti-Brexit-Briten vor Neid erblassen, soweit das bei einem Briten überhaupt möglich ist.


Ich habe ja den Verdacht, daß inzwischen eine eigene Agentur beschäftigt wird, um sich Pro-Sommerzeit-Slogans aus den Fingern zu saugen ‘Ja wenn die Letten es gern so hätten’, ‘Wir wollen die Iren nicht verlieren’, ‘Die Polen, die Polen, die ham die Stund so gern gestohlen’ … nein, also das letzte war nicht ok, das streichen wir, das streichen wir … und gestrichen wird jetzt bitte ENDLICH auch diese saublöde Sommerzeit!!! 


Samstag, 16. März 2019

Bikinifigur - Ein Thema


Im Rahmen einer Art Schreibwerkstatt im Netz entstand diese Woche folgender Text zum Thema 'Ist die Bikinifigur für dich ein Thema?':




Wenn ich das Wort ‘Bikinifigur’ denke ziehen vor meinem inneren Auge Gruppen von lächelnden, schlanken jungen Mädchen vorbei, die sonnengebräunte Haut nur knapp mit leuchtend gelben Stoffetzen bedeckt … ein Traum.
Ein Traum, der weitergeträumt wird auf den Seiten der Modekataloge, auf den Laufstegen dieser Welt, in den Köpfen vieler Männer.

Welcher uns aber schnurstracks zu der Frage bringt: Dürfen wirklich nur schlanke Menschen Bikini tragen? Wie oft habe ich, gerade hier in unserem eigentlich den Freuden gewidmeten Club schon lesen müssen, daß man ältere und/oder wabbelige Menschen im Schwimmbad oder - huch - FKK Bereich nur ungern sieht.

Na, sehr leiwand. Müssen alle anderen, deren Figur nicht (mehr) den Ansprüchen der ubiquitären selbsternannten Ästheten genügt, sich schamhaft in einen riesigen Badeanzug zwängen, am besten noch einen der bis an die Knie geht wie früher? Wie geht es diesen Menschen damit, in den Augen anderer nicht zu genügen, allein wegen ihres Äußeren?

Wenn man adipöse Menschen befragt, bekommt man oft zu hören, sie seien glücklich, fühlten sich wohl in ihrer Haut und hätten keinerlei gesundheitliche Probleme.
Das freut mich, allein mir fehlt der Glaube.

Das merkt man doch, wie hinter einem hergetuschelt wird, auf der Straße, in der U-Bahn, beim Einkaufen … und wehe man genießt in der Öffentlichkeit ein Eis oder ein Stück Kuchen! Die Frage ‘Muß ausgerechnet DER/DIE jetzt auch noch sowas reinfressen???’ steht den meisten Umstehenden doch deutlich ins Gesicht geschrieben.

Oder Beispiel: Neulich gab es bei uns in der Arbeit Kuchen. Eine ziemlich übergewichtige Kollegin nahm zwei Stück, um sie ihren beiden Mitstreiterinnen an der Rezeption zu bringen. Ein weiterer Kollege sah das und bemerkte giftig: ‘Ja, die hat’s grad nötig!’

Ist ein Mensch verachtenswert, nur weil er keine Idealmaße hat? Würden wir hierzu eine Umfrage machen, würde sich womöglich niemand die Blöße geben wollen ein oberflächlicher Trampel zu sein und das Ergebnis würde lauten: Na eh nicht!
Die Realität sieht leider anders aus.

So: Ist die Bikinifigur für mich ein Thema? Oh yeah, ist sie.
Vom ärztlichen Standpunkt aus muß man ganz klar sagen: Zuviel Gewicht freut die Beine nicht!
Da gibt’s dann hier eine Arthrose und da eine, da braucht man ein künstliches Knie oder einen neuen Großzehen, es ächzen die Bänder, es knirschen die Sehnen.
War das die Schlemmerei wirklich wert? Dann ist es aber zu spät, da kann man die zuviel genossenen Desserts oder Fertigpizzen nicht mehr zurückspeibn, die sind auf ewig gegessen.

So hat man zum Spott auch noch den Schaden.

Dennoch: Das soll sich jeder selber aussuchen dürfen!!!
Möchte ich mich ständig zammreißn am Mittagstisch und dafür am Abend am Pool die genießerischen Blicke der versammelten Mannschaft auf mich ziehen (was auch immer frau dann daraus macht … ) oder will ich lieber das Buffet genießen, scheiß auf die Figur?
Das macht eine Demokratie aus: Die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu entscheiden. Erst wenn diese Möglichkeit nicht mehr gegeben ist, wenn Menschen anfangen unter Zwängen zu leiden, sich nicht mehr schön genug finden bzw. von anderen gehänselt werden weil die sie nicht schön genug finden … dann sollten wir uns mal fragen: Was ist das eigentlich. Schön. Was bedeutet das?

Wenn ich mich entscheiden sollte zwischen einem jungen Madl mit Superbikinifigur, aber arrogantem Blick und leerem Hirn - und einer zwar etwas fülligeren aber herzensguten und lebensfrohen gescheiten Dame … ja wen nehm ich dann wohl?

In diesem Sinne: Gehet hin und genießet, aber kennet das rechte Maß. In allen Dingen. Dann klappt es vielleicht nicht mit dem Bikini, aber so ein hübscher Badeanzug mit Längsstreifen hat auch was, und es geht sich dann immer noch ein Achterl Roter aus zur sauren Wurst … oder zwei ...

Freitag, 15. März 2019

Die Wechseljahre - Wendepunkte im Leben einer Frau


Die Wechseljahre ... seit einiger Zeit wieder verstärkt ein Thema in den Medien. Weil wir geburtenstarken Jahrgänge nun gerade mittendrin sind und sich hier ein Markt ergeben hat den man ordentlich melken kann? Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Soeben habe ich mir eine Doku auf B3 angesehen, Sendungstermin war der 13.3.19 um 22:45 Uhr, der Titel lautet: 'Was Sie schon immer über Frauen wissen wollten ...' und es geht um ... richtig, die Wechseljahre bzw. wie die Frauen von heute damit umgehen.

Toll, dachte ich, das ist sicher interessant, was mag frau da wohl alles Neues erfahren? Schließlich bin ich seit einiger Zeit selbst betroffen und wühle mich seither durch einen Wust an sich widersprechenden 'Informationen' und teils haarsträubenden Behauptungen die als Wahrheiten verkauft und an die Frau gebracht werden. Am Ende hockt man da und denkt: Bin ich die Einzige der es so schlecht damit geht? Stimmt mit mir etwas nicht? Müßte ich mich wirklich einfach nur zusammenreißen, Sport treiben und mich ablenken, statt immer nur im Jammertal meiner Befindlichkeiten zu versinken?

Was aber, wenn Sport und Hobbys aufgrund extremer körperlicher Beschwerden nicht mehr möglich sind, ja nicht einmal der tägliche Gang in die Arbeit mehr bewältigt werden kann? Wenn man mit Diagnosen wie Depression oder zumindest deren mittlerweile halbwegs gesellschaftsfähigen Ablegers 'Burnout' beworfen wird? Aufs soziale Abstellgleis geschoben wird, von den Kollegen verachtet und von den noch verbliebenen Freunden gemieden als wäre man ansteckend? Weil frau sowieso nicht mehr mitkann, wohin auch immer? Weil frau keinen Alkohol mehr verträgt, daher als Spaßbremse dasteht, und weil die meisten Nahrungsmittel bzw. die darin enthaltenen Zusätze ihre Beschwerden nur verschlimmern, sie daher genau auswählen muß was sie zu sich nimmt, was ihr obendrein einen Ruf als verkniffene Gesundheitsapostelin einträgt?

Wohlan, dachte ich, schauen wir mal, was das Bayerische Fernsehen uns da Schönes zum Thema vorzutragen hat.

Ja mei. Es wurden verschiedene Frauen vorgestellt, zu diversen Themen befragt, und wirklich durchgehend sympathisch portraitiert. Eine Sendung die einerseits Mut macht, angesichts der frischen, mutigen Frauen, die ganz offen im Fernsehen auch über unangenehme Themen sprachen und sich auf Stationen ihres Lebens filmen ließen. Eine der Damen hat beispielsweise geheiratet, die andere mit ihrem Mann ein Restaurant eröffnet nachdem sie jahrelang in einem Wohnwagen gelebt hatten, wieder eine andere schreibt einen Blog über Themen, die sie sich gewünscht hätte, in den sogenannten 'Frauenzeitschriften' lesen zu können ... also insgesamt eine erfrischende Doku über Frauen in den Wechseljahren.

Nur: Was ist mit den Beschwerden während dieser Zeit? Wie werden diese bewältigt, gibt es sie überhaupt?

Nun, es war durchaus die Rede von den berühmten Hitzewallungen über die so gerne geschrieben wird. Eine resolute bayerische Bäuerin kam zu Wort, sie meinte sie ließe sich von den in inopportunen Momenten auftretenden Hitzewallungen nicht stören, wenn sie beispielsweise gerade einen Vortrag bei den Landfrauen zu halten habe, dann würde sie sich darauf konzentrieren und den Hitzewallungen einfach keinen Raum geben. Fertig aus. Am Ende der Sendung beantwortete sie die Frage, was sie Frauen wünschen würde, die unter Wechseljahresbeschwerden zu leiden hätten, mit der einfachen Aussage: Diese Frauen mögen sich doch etwas suchen mit dem sie so beschäftigt sind, daß sie keine Zeit mehr haben, darüber nachzudenken.

Ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die unter heftigen, die Lebensqualität erheblich einschränkenden, Beschwerden zu leiden haben.

Leider eine weit verbreitete Ansicht. Meine eigene Mutter gab mir auf meine Frage, wie sie die Wechseljahre erlebt hätte, die Antwort: 'Für so etwas hatte ich keine Zeit.'

Auch in einem Internetforum, auf dem ich momentan einen Austausch zum Thema Wechseljahre verfolge, wird heiß diskutiert, da stehen Frauen wie ich, die starke Beschwerden haben und sich gegenseitig Tips geben, den Frauen gegenüber die das alles als Humbug und Einbildung abtun und arrogant empfehlen, sich mit Sport und gesunder Ernährung fit zu halten, dann könne frau die Beschwerden auf ein Minimum reduzieren bzw. gut damit umgehen.

Bin ich also selber schuld, daß es mir so schlecht geht? Habe ich alles falsch gemacht, habe ich einfach nur zuviel Zeit, um mich mit meinen Befindlichkeiten befassen zu können?

Noch bis vor nicht allzulanger Zeit war ich selbst der Meinung gewesen, frau liest es ja nicht anders, daß nur diejenigen unter den Wechseljahren leiden, die sich mit Aussetzen der Monatsblutung nicht mehr als Frau sehen, die das endgültige Ende ihrer Fruchtbarkeit als Katastrophe betrachten und die sich nun alt und abgeschoben vorkommen. Unsichtbar. Unweiblich. Ungewollt. Ein nutzloses Neutrum, kein nützliches Mitglied der Gesellschaft mehr.

Die Thematik wird so dargestellt, als ob die gesamte Wechseljahresproblematik nur darin bestünde, daß die Frauen sich alt fühlen, daß sie sich minderwertig fühlen weil sie keine Kinder mehr bekommen können und glauben, in den Augen der Männer immer unattraktiver weil faltiger zu werden. Praktisch Luxusjammerei.

Gut, dachte ich, Kinder waren für mich nie ein Thema, weiblich, naja, ich bin der große böse Ev ... und die Periode habe ich den Göttern sei Dank seit meiner Operation im Jahre 2004 nicht mehr. Daher, so schlußfolgerte ich kühn, würde ich den Beginn meiner Wechseljahre auch nicht mitbekommen und würde ergo auch nicht darunter leiden. Thema abgehakt, alles leiwand.

Einige schüchterne Hitzeanfälle die im Verlauf auftraten kommentierte ich innerlich mit: Macht nix, ich hab's eh gerne warm.

Problem? Nö. Ich doch nicht!

Im Laufe der Zeit jedoch traten mehr und mehr Symptome auf, die ich zuerst nicht mit den Wechseljahren in Verbindung brachte. Denn die hatte ich ja nicht und basta. Warum aber vertrug ich auf einmal keinen Alkohol mehr? Warum reagierte mein Magen auf immer mehr Nahrungsmittel mit starken Schmerzen oder peinlichen Verdauungsproblemen? Warum verspürte ich immer öfter dieses widerliche Ziehen in der Bauchgegend, genau wie damals vor der Periode? Warum traten meine Schlafstörungen wieder verstärkt auf den Plan, selbst wenn ich nichts Ungeeignetes gegessen hatte?

Einzig die Lust, deren Schwinden ja doch hier und da verschämt erwähnt wird, die ist bei mir gerade erst erwacht! Endlich HATTE ich mal Lust, und ging wagemutig daran, mir nach fast 20 Jahren der Enthaltsamkeit (alles Wappler!) doch wieder mal einen Mann für gemeinsame Bettfreuden zu suchen. Oder mehrere, was soll der Geiz. Tja, und hier ergab sich eine weitere Problematik: Die Lust war zwar da, willige Bettgenossen rasch gefunden - aber das Equipment war kaputt. Ein Gang zum Frauenarzt ergab den eindeutigen Befund: Blutige Atrophie der Scheidenschleimhaut und Befall mit Streptokokken der Kategorie B. Daraufhin ließ ich mir vom Kollegen einen Hormonstatus abnehmen - hier lagen die Östrogen- und Progesteronwerte im nicht mehr meßbaren Bereich. Auch der DHEA-level war deutlich erniedrigt.

Hm.

Hab ich wohl zuwenig Sport getrieben was? Sonst wäre das doch sicherlich nicht passiert!!!


Von den Medizinern ist hierbei auch nicht wirklich viel Hilfe zu erwarten.

Gut, die Bakterien konnte ich mit von einem Alternativmediziner empfohlenen homöopathischen penicillinähnlichen Produkt in die Flucht treiben, die Schleimhäute wurden mithilfe von mir ergoogelten rezeptfreien Präparaten innerhalb eines Jahres soweit wieder einigermaßen aufgebaut.


Aber die vom Arzt verordnete Hormoncreme kann ich nicht nehmen, da ich ein Faktor-V-Leiden-Syndrom habe (Frauenärztin, darauf von mir hingewiesen, googelt und meint: Stimmt. Da ist die kontraindiziert ...). Naturidente Hormone werden von meiner Kasse nicht bezahlt, also habe ich mir auf Rat einer Freundin hin auf eigene Faust in einer Privatpraxis in Österreich etwas besorgt, was ich aber auch nicht so recht vertrage. Nachdem ich dem verordnenden Arzt meine Beschwerden geschildert hatte, meinte er, so etwas habe er in all den Jahren erst einmal gehört, und dabei hätte es sich um eine Frau gehandelt, die aufgrund eines Blitzschlages massive Nervenschädigungen davongetragen habe.

Naja, mit einem Blitzschlag kann ich nicht dienen, aber Nerven ... Nerven hab ich wirklich bald keine mehr.

Mittlerweile ist mein Körper von den ständigen Erkältungen, die seit etwa einem Dreivierteljahr immer häufiger auftreten, und dem ständigen Streß, mich dennoch in die Arbeit schleppen zu müssen, so geschwächt, daß einfach nichts mehr geht. Heute, da ich dies schreibe, bin ich seit einer Woche krank geschrieben, wieder einmal, habe seit drei Wochen fast nichts bzw. nur unter Zuhilfenahme starker Medikamente, geschlafen, mir ist übel, ich habe Magenschmerzen - und kommende Woche einen Termin bei der Nervenärztin. Arbeitstitel Burnout. Wirklich? Bin ich tatsächlich depressiv oder einfach nur deprimiert, weil ich seit Jahren nicht mehr in den Urlaub fahren kann und wenn, dann werde ich dort krank und habe nichts davon? In letzter Zeit waren selbst Spaziergänge in der Umgegend zur Seltenheit geworden und wenn ich doch unterwegs war, mußte ich mich ständig niedersetzen wie eine alte Oma.

Bin ich depressiv nur weil ich meiner Arbeit nicht mehr jeden Tag nachgehen kann, weil mich die permanente Erkältung immer wieder in die Knie zwingt? Liegt der Grund für meine Erschöpfung an einer Depression oder bin ich ganz einfach deswegen am Ende, weil ich seit Jahren in den meisten Nächten einfach nicht mehr ausreichend Schlaf finde trotz der Beachtung sämtlicher Regeln bezüglich Schlafhygiene und einer wahren Batterie an pflanzlichen Präparaten, vom Baldrian bis hin zu CBD-Öl?

Halt! Eine wirklich interessante Meldung kam doch vor, in dieser Doku auf BR. Nämlich, daß Estriol und Estradiol für Fügsamkeit und Gehorsam stehen. Und wenn diese beiden Hormone weniger werden, dann werden wir Frauen aggressiver, können besser Nein sagen, werden ungeduldiger.

Ist das so? Nun, warum sollten die Hormone dann unbedingt ersetzt werden? Wenn doch alles so wie es kommt natürlich und richtig ist? Und die gesundheitlichen Beschwerden eh nur wahrgenommen werden, weil frau zuviel Zeit für sich hat?

Warum gebe ich dann ein Vermögen für Therapien aus weil mich der Lärm und das Kindergeschrei anderer Leute dermaßen aggressiv machen, daß ich mich selber nicht mehr erkenne?

Was, wenn das also ganz natürlich ist? Daß ich aggressiver werde, für meine Bedürfnisse (RUHE!!!) eintrete und ganz einfach auch einmal NEIN sage.

Nein zu einem Job, der jedes Jahr stressiger wird und nur noch mit einem Aufgebot aller Kräfte, die ich nun einmal nicht mehr habe, zu schaffen ist. Nein zu den Erwartungen, diesen Job auch dann zu schaffen, wenn ich wieder einmal mit allem alleine gelassen werde, mir nur selten Wertschätzung entgegengebracht wird, der Frustlevel wöchentlich steigt weil man STÄNDIG unterbrochen wird, da das Telefon in einer Tour geht und sich gleichzeitig Patienten und Kollegen die Klinke in die Hand geben.


Bin ich ein Weh? Eine Versagerin, die 'schon wieder' krank ist und sich einfach mal zusammenreißen müßte? Existieren meine Beschwerden nur deswegen, weil ich mich gegen den natürlichen Lauf der Dinge sperre? Es mir nicht eingestehen will, daß ich überfordert bin und so nicht mehr weitermachen kann? Fragen über Fragen.

Am Ende bleibt - für mich - nur eine einzige Frage übrig: Wie soll es nun weitergehen?

Sollte ich mir einen reichen Mann suchen der für mich sorgt und mich vollends dem Weltschmerz hingeben? Soll ich mir eine andere Arbeit suchen? In meinem Alter und mit einer dermaßen angeschlagenen Gesundheit? Was raten die Götter, was wird geschehen?

Ich fühle mich ganz einfach nur völlig alleine gelassen.

Und wünschte mir, es würde viel offener über dieses Thema kommuniziert werden: Wechseljahre, was sie mit uns machen und wie wir damit umgehen können.

Nicht erst dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

Umfassende Information, präventiv, öffentlich, wohltuend und wertschätzend, von Frauen für Frauen.

Das würde ich mir wirklich sehr, sehr wünschen ...


Samstag, 19. Januar 2019

Bad Moon Rising

Ach, wieviele Dichter saßen während der letzten Jahrhunderte mit der Feder in der Hand da, das Gesicht verträumt himmelwärts gewandt, und schrieben mit ihrem Herzblut eine romantische Ode nach der anderen an den Mond, der ihre schönsten Stunden beleuchtete - und nachdem die Angebetete das Flehen nicht erhören wollte, und der Mond angesichts des Herzeleides wieder verschämt hinter den Wolken verschwand, kam dann gleich noch ein Gedicht dazu über das schnöde Weib das ihn verlassen ... und er begann den Mond zu hassen ...

Wieviele Frauen haben über die Jahrhunderte mit aller Kraft die Möndin angebetet, verehrt, ihr geopfert, ihr allerhand magische Kräfte zugestanden,  sich daher von ihr Heilung erhofft und großteils auch erhalten!

Bis auf den einen oder anderen Einzelfall der sich vom Vollmond in seinem Schlaf gestört fühlt (anstatt daß er mal das Handytelefon abdreht und in ein anderes Zimmer legt ...) oder gar das Schlafwandeln anfängt und sich auf der steilen Treppe zum Klo die Nase bricht, haben die meisten von uns also ein Bild vom Mond als benignes Wesen, das sanft vom Nachthimmel erstrahlt und uns in seine heilenden Strahlen hüllt.

Wie unsanft ist das Erwachen nun angesichts dieses Artikels im (ausgerechnet) Christmas/New Year Special des New Scientist in dem auf Seite 14 berichtet wird, daß Mondstaub Gift für unsere Lungen ist und durch die Bildung von giftigen Radikalen Lungenkrebs verursachen kann. Als Wissenschaftler müssen sie es natürlich vorsichtig formulieren, da gilt die Unschuldsvermutung und man berichtet sachlich über die vom Team um Herrn Hendrix (ausgerechnet) durchgeführten Studien, bei denen er sich angesichts der Knappheit echten Mondgesteins obendrein mit künstlich hergestellten, ähnlichen Substanzen behelfen muß.

Achja, wollen wir wirklich immer alles genau wissen? Kann man nicht einfach in Ruhe romantische Gedichte schreiben und den Mond anheulen, mußte man unbedingt rüberfahren und diese grausliche, unwirtliche, luftlose Wüste auf der Mondoberfläche entdecken und auch noch giftige Steine mitbringen?